Gentechnik: Grundlagen

Gentechnik: Grundlagen
Gentechnik: Grundlagen
 
Die Erbsubstanz beinahe aller Lebewesen, vom einfachen Bakterium bis zum Menschen, besteht aus doppelsträngiger DNA (englisch deoxyribonucleic acid = Desoxyribonukleinsäure) und ist in Abschnitte, die Gene, unterteilt. Diese sind für die Ausbildung eines Merkmals, in den meisten Fällen die Produktion eines Proteins (Eiweiß), verantwortlich. Die Umsetzung eines Genes in das von ihm kodierte Protein erfolgt bei allen Lebewesen über zwei Schritte: die Transkription (Übertragung) der DNA in die Boten-RNA (Messenger-RNA, mRNA; englisch ribonucleic acid, Ribonucleinsäure) und die Translation (Umsetzung) der Boten-RNA in das entsprechende Protein. Diese Gemeinsamkeiten aller Lebewesen macht Gentechnik erst möglich.
 
Alle gentechnischen Methoden dienen der gezielten Veränderung von Erbgut und dem Einbringen des neu kombinierten (rekombinierten) genetischen Materials in lebende Zellen, um es dort wirken zu lassen. Diese Wirtszellen erhalten durch den Einbau der gewünschten genetischen Informationen die Fähigkeit, Proteinstoffe zu produzieren, die sie normalerweise nicht herstellen würden. Wirtszellen werden entweder als Vervielfältigungsmaschinen für die rekombinierte DNA eingesetzt oder sie dienen als »Fabriken« für die Produktion der Proteine, deren Gene übertragen wurden.
 
 Die Geburtsstunde der Gentechnik
 
1973 hatte Stanley Cohen, der gemeinsam mit Herbert Boyer DNA neu kombinierte, bei seinen Arbeiten die Plasmide entdeckt. Diese kleinen Ringe aus DNA findet man in Bakterien, wo sie Träger von zusätzlicher Erbinformation sind. Mithilfe von Plasmiden sind Bakterien in der Lage, für sie schädliche Antibiotika abzubauen und somit resistent (widerstandsfähig) gegen diese Medikamente zu werden. Cohen und Boyle »zerschnitten« zwei Plasmide, die Bakterien gegen verschiedene Antibiotika widerstandsfähig machten, und rekombinierten diese im Reagenzglas. Die so entstandenen Plasmide wurden in Bakterien übertragen, die anschließend gegen beide Antibiotika resistent waren.
 
 Rekombination von DNA
 
Die »Werkzeuge«, die Cohen und Boyle 1973 verwendeten, sind auch heute noch die wichtigsten Hilfsmittel der Gentechniker: Restriktionsenzyme (Restriktionsendonukleasen). Diese Enzyme können das Rückgrat der DNA aus Zucker- und Phosphorsäuremolekülen an genau definierten Stellen zerschneiden. Jedes Restriktionsenzym erkennt seine Schnittstelle anhand einer charakteristischen Abfolge der DNA-Bausteine. Dem Gentechnologen stehen heute Hunderte dieser sehr spezifischen »kleinen Helfer« zur Verfügung. Die Namen der meisten Restriktionsenzyme leiten sich vom Namen des Bakteriums ab, in dem das Protein natürlicherweise vorkommt.
 
Zur Rekombination von DNA müssen die zerschnittenen Fragmente wieder miteinander verklebt werden. Diese Aufgabe nehmen Ligasen wahr, die als Enzyme in jedem Lebewesen vorkommen. Sie sorgen dafür, dass Lücken im Rückgrat der DNA geschlossen werden. Neben den winzigen Scheren (Restriktionsenzyme), mit denen der Gentechniker DNA zerschneidet, und dem molekularen Kleber (Ligasen), mit dessen Hilfe DNA-Stücke wieder verbunden werden können, benötigt man in der Gentechnik Mikroorganismen, die rekombinierte DNA aufnehmen und vervielfältigen können. Für diese Aufgabe werden Bakterien (z. B. das Darmbakterium E.-coli), Hefen (z. B. die Bierhefe) oder Zellkulturen von tierischen oder menschlichen Zellen verwendet.
 
 Methoden zur Übertragung der DNA
 
Die Übertragung der rekombinierten DNA in die vorbereiteten Wirtsstämme, die Transformation der DNA, kann durch verschiedene Methoden vorgenommen werden. Die bei Mikroorganismen wie Bakterien und Hefezellen am häufigsten verwendete Methode ist die Elektroporation. Dabei werden die vorbehandelten Mikroorganismen mit der rekombinierten DNA in spezielle Gefäße gegeben und in ein starkes elektrisches Feld gebracht. Durch das anliegende elektrische Feld werden die Zellmembranen für große Moleküle durchlässig, und die rekombinierte DNA kann in die Zelle eindringen. Die Übertragung von rekombinierter DNA in tierische Zellen erfolgt zum Teil durch direktes Einspritzen der DNA in die Zellen.
 
Da nicht alle Zellen bei der Transformation die rekombinierte DNA aufnehmen, muss anschließend eine Trennung (Selektion) zwischen transformierten und nicht transformierten Zellen durchgeführt werden. Die Zellen werden dazu auf ein Selektionsmedium gegeben. Zur Selektion dienen meist Antibiotikaresistenzen, die durch die rekombinierten Plasmide vermittelt werden. Nur Zellen, die rekombinierte DNA tragen, können die im Selektionsmedium enthaltenen Antibiotika unschädlich machen und überleben. Alle nicht transformierten Zellen sind empfindlich gegenüber den eingesetzten Antibiotika und sterben ab.

Universal-Lexikon. 2012.

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